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Die Brown University nutzt VR, um Studenten die amerikanische Geschichte näherzubringen

Der Virtual Reality-Artist in Residence der Brown University, Adam Blumenthal, engagiert sich für den Einsatz von Virtual Reality im Studium. Bei einem Pilotprojekt stellte er mit Studenten mithilfe der Jump-Kamera von Google und Tilt Brush ein in Vergessenheit geratenes Stück Kolonialgeschichte nach.

Die Gaspee-Affäre ist zwar nicht so bekannt wie die Boston Tea Party, doch sie spielte eine vergleichbar wichtige Rolle im Vorfeld der amerikanischen Revolution. Die Gaspee war ein britisches Schiff, das die Narragansett Bay vor Rhode Island patrouillierte. Die Besatzung kontrollierte die Kolonisten und behinderte deren Handel. Im Jahr 1772 griffen Amerikaner das Schiff an und steckten es in Brand. Damit entfachten sie die Rebellion, die Auslöser für den Unabhängigkeitskrieg war.

Für Adam Blumenthal, Professor of the Practice und Virtual Artist-in-Residence an der Brown University, war dieses vergessene Stück Vergangenheit perfekt, um in der virtuellen Realität rekonstruiert zu werden. "Es ist eine aufregende Geschichte", erzählt er, "mit Kanonenfeuer und Schüssen und Verfolgungsjagden zu Wasser. Und es handelt sich um ein Geschichtsereignis von nationaler Bedeutung. Ich habe es natürlich auch ausgewählt, weil ich stolzer Bürger von Rhode Island bin – und mir erhoffe, dass mithilfe des Wow-Faktors der VR mehr Menschen davon erfahren könnten." Viele der Orte in der Geschichte sind auch heute noch zu besichtigen. Außerdem besitzt die Universität Archive und Artefakte, die dem virtuellen Experiment noch mehr Authentizität verleihen.

Also begann Blumenthal, mit einem Team von Studenten und einer Jump-Kamera, Skripte zu schreiben und Sets zu entwerfen. Sie erschufen eine detaillierte virtuelle Welt, in der die Studenten mit der Vergangenheit interagieren können. Blumenthal merkt an: "Eine Sache, die mich an VR besonders begeistert, ist die Möglichkeit, Menschen an Orte zu versetzen, die sonst unerreichbar wären, sie also, wie in diesem Fall, durch sehr authentische Nachstellungen in die Vergangenheit reisen zu lassen." Neben den Studenten setzte Blumenthal auch Darsteller ein, die historische Ereignisse an Kolonialstädten in der Nähe nachspielten und dort mehrere "Szenen" drehten: in einem Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert, in einem Gericht, im Privathaus eines der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung und in der Kapitänskajüte eines Schiffes. Anders als bei einer Filmproduktion nahmen hierbei jedoch 16 Kameras stereoskopische 360°-Bilder mit einer Auflösung von bis zu 8 K auf.

"Der Wow-Faktor der VR trägt entscheidend dazu bei, dass die Studenten sich für das vermittelte Wissen öffnen."

Adam Blumenthal, Professor Practice und Virtual Artist-in-Residence, Brown University

Die Vergangenheit lebendig werden lassen

Die Jump-Kamera basiert auf der Go-Pro Odyssey. Sie ist einfach zu bedienen und lässt sich leicht transportieren. Die auf einem Stativ aufgestellten Kameras nehmen 3D-Videos auf und speichern sie auf 16 Micro-SD-Karten. Die Videos können dann ganz einfach im Jump-Programm von Google hochgeladen und nahtlos zusammengesetzt werden. Das Video kann in nur einem Tag fertig abgedreht werden und neben Farbkorrekturen ist kaum Nachbearbeitung erforderlich. Blumenthal weist darauf hin, dass sich die Kamera dadurch besonders für die Arbeit mit Studenten eignet: Videos lassen sich schnell produzieren und sind dann über Google Cardboard in 3D zu sehen.

Für die Produktion verwendete das Team auch Tilt Brush, das 3D-Zeichentool von Google. Mit dem Tool lassen sich schnell Storyboards für 3D-Szenen erstellen und sogenannte "Virtual-Reality-Dioramen" entwickeln, bei denen gemalte Tilt Brush-Elemente mit 2D- und 3D-Assets kombiniert werden. So konnte das Team antike Möbel zu einer Szene hinzufügen und eine gezeichnete Person in die virtuelle Umgebung einfügen. Mithilfe eines Unity-Workflows wurden die Tilt Brush-Skizzen in die dreidimensionale Welt integriert. Selbst Studenten, die keine Erfahrung mit 3D-Modellierungstools hatten, fanden sich in Tilt Brush schnell zurecht. "Das Tool ist fantastisch", sagt Blumenthal. "Es ist so intuitiv, dass die Studenten sich schnell zurechtfinden und gleich anfangen können, eigene Umgebungen zu erschaffen." Der Prototyp der Gaspee-Affäre funktioniert wie ein virtuelles Museum: Die Studenten können sich die Räume aus jedem Winkel ansehen und mit den Objekten darin interagieren. Wenn man beispielsweise ein Gemälde an der Wand berührt, wird man in ein 360°-Video der brennenden Gaspee gebeamt. Bei Nutzertests haben diese Videos den Studenten genauso viel Spaß gemacht wie die 3D-Umgebungen, die mehr wie ein Videospiel gestaltet waren.

Das Gaspee-Projekt ist nur eines von vielen, bei denen Blumenthal an der Brown University beratend tätig ist. Er arbeitet auch mit Lehrkräften und Studenten der medizinischen Fakultät im Brown Medical Simulation Center zusammen. Dort macht er mit einer Jump-Kamera 360°-Aufnahmen von simulierten Operationen in einer OP-Kulisse. Die OPs vermitteln dabei den hohen Druck und die rasante Geschwindigkeit, die im Chirurgenalltag die Regel sind. Durch das Aufzeichnen der Simulationen mit hochwertigen Panoramavideos haben Studenten und Lehrkräfte die Möglichkeit, die Arbeit des Teams zu analysieren. Sie können das Geschehen auch verlangsamen und jedes Detail mithilfe von VR-Videos bei Nachbesprechungen genau unter die Lupe nehmen. Blumenthal merkt an, dass mit VR nicht nur die Vergangenheit rekonstruiert und die Gegenwart dokumentiert werden kann. Sie ist vor allem auch geeignet, um unerreichbare Orte zu besuchen, beispielsweise einen Unterwasservulkan oder die Landschaft des Mars. Auch riskante Tätigkeiten wie Operationen lassen sich damit üben. VR bietet laut Blumenthal ein "Erleben und Erkunden im eigenen Tempo". Situationen werden erfahrbar und Studenten können Gelerntes in der VR anwenden, weil Dinge hier nur virtuell Schaden nehmen. In der VR sind Fehler erlaubt, um daraus zu lernen. So werden Studenten zu aktiven Teilnehmern.

Das Interesse der Studenten wecken

Studenten fürs Lernen zu begeistern, ist für Blumenthal das ultimative Ziel bei der Integration von VR in den Unterricht. Laut einer kürzlich von Gallup durchgeführten Studie interessiert sich in den USA nur die Hälfte der Schüler an öffentlichen Schulen wirklich für den Lehrstoff. Deshalb liegt für Blumenthal in der VR die Zukunft. "Diese Highschools wurden für das vergangene Jahrhundert entworfen", sagt er und fügt hinzu, dass die VR "ein Erlebnis bieten kann, das so faszinierend ist wie ein Videospiel und dabei gleichzeitig lehrreich. Und genau das möchte ich erreichen."

Die Gaspee-Affäre ist also erst der Anfang. Zu VR im Unterricht gibt es noch nicht viele Studien. Blumenthal erwartet aber, dass die Technologie in Bildungseinrichtungen künftig eine größere Rolle spielen wird, insbesondere dank Tools wie Cardboard und wenn Projekte wie das seine öffentlich zugänglich sind. An der Brown University hat er ein Studioteam zusammengestellt, bei dem Studenten mit neuen Tools wie Daydream experimentieren können. Außerdem plant er bereits einen Kurs, in dem eigene Virtual-Reality-Touren mit Google Expeditionen entwickelt werden sollen. Er hält es durchaus für möglich, dass die Universität einen kompletten Studiengang für Virtual Reality Production anbieten und ein eigenes Forschungsinstitut gründen könnte, um den Einsatz von VR im Unterricht zu fördern. "Der Wow-Faktor der VR trägt entscheidend dazu bei, dass die Studenten sich für das vermittelte Wissen öffnen", schließt Blumenthal. "VR macht Lehrbücher zum Erlebnis, weil die Studenten direkt ins Geschehen versetzt werden. Das ermöglicht einer ganz neue Art und Weise, Wissen zu vermitteln, und verändert die Lernerfahrung grundlegend."

"VR bietet eine Erfahrung, die fasziniert wie ein Videospiel und dabei gleichzeitig lehrreich ist."

Adam Blumenthal, Professor Practice und Virtual Artist-in-Residence, Brown University

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